ÜBER DAS BUCH
Wie laut war es früher?
Wie klang die Welt vor 200 Jahren?
Lärm kann sehr leise sein. Kaum hörbar und doch so störend, dass er den Menschen in tiefste Verzweiflung treibt. Das stille Ticken einer Uhr. Das Knarren einer Tür, die vom Wind bewegt wird. Lärm ist subjektiv. Was für den einen unerträglich scheint, ist für den anderen kein Problem. Und Lärm war immer da. Früher klang er nur anders.
Die Welt ist laut - eine Geschichte des Lärms
Wie hat sich der Lärm unserer Zivilisation im Laufe der Jahrhunderte entwickelt? Wie klang das Rom der Kaiserzeit? Was war für die Ohren eines Bauern im Mittelalter laut? Welche Geräuschkulisse mussten die ersten Fabrikarbeiter in England ertragen?
Das Buch beginnt mit einer Zeit weit vor der Geschichte des Menschen. Mit dem Urknall, der keiner war. Erst danach, mit der Erfindung der Werkzeuge, wurde der Krach menschlich. Die ersten Großbaustellen der Geschichte im Alten Reich Ägyptens vor 4500 Jahren waren nicht nur ein unfassbarer Anblick, sondern auch eine ohrenbetäubende Erfahrung. Lärm ist göttlich, wie die Natur den frühen Menschen zu verstehen gab. Und auch in der griechischen, römischen und nordischen Mythologie gibt es mindestens einen Gott, der für Donner und Getöse zuständig ist. Im Mittelalter erobert dann die Kirche die akustische Lufthoheit über dem christlichen Europa – mit dem sakralen Dreiklang aus Glocke, Orgel und Kathedrale.
Kai-Ove Kessler kommt in dieser Kulturgeschichte zu der Erkenntnis, dass früher nicht alles leiser war. Dass Lärm sogar Labsal, Erleichterung und pures Vergnügen sein kann.
Lärm - eine Zeitreise
Pressestimmen
Hörfunk
Portrait
„Lärm hat mich ein Leben lang verfolgt“, sagt der Autor, Schlagzeuger und Journalist Kai-Ove Kessler. Er hat mit Tagebüchern, Aufzeichnungen und Soundbeispielen die Geschichte des Lärms erforscht. Und erzählt, wie Lärm auch Macht demonstrieren kann.
Deutschlandfunk Kultur, Im Gespräch, Sendung vom 05.06.2023
INHALTSVERZEICHNIS
1.1. Der Urknall - ein großes Missverständnis
1.2. Das Weltall lernt hören
1.3. Physis, Physik und Psyche – der Dreiklang des Lärms
1.4. Krähte T. Rex wie ein Hahn bei Sonnenaufgang?
1.5. Asteroiden - das große Krachen
1.6. Wie der Mensch den Lärm erfand
1.7. Die Entdeckung der Musik
2.1. Lärm im Gepäck - der Mensch breitet sich aus
2.2. Klang der Erze: Wie Metalle ein neues Lärmzeitalter begründen
2.3. Wir werden viele und viele sind laut - Städte der Steinzeit
2.4. Wahrhaft göttlich: der Lärm der Natur
2.5. Biblischer Lärm: Wie Gott zum Radaubruder wurde
2.6. Erste Großbaustelle der Menschheit: Wie das alte Ägypten klang
3.1. Furor belli - Lärm als Laut des Schreckens
3.2. Rom: Millionenstadt im Lärmtaumel
3.3. Gepeinigte Großstädter: Nur raus hier!
3.4. Rede, Rad und Rostra - Nachrichten erobern die Welt
3.5. Schmiede nerven - erstes Lärmschutzgesetz der Geschichte
3.6. Brot und Spiele: Todesschreie als Massenunterhaltung
4.1. Unruhiger Weg zur Stille - das Ende der Antike
4.2. Glocke, Orgel, Kathedrale - der sakrale Dreiklang
4.3. Das laute Fressen: Höfische Tischzuchten
4.4. Eisenhammer - die frühe Fabrik des Mittelalters
4.5. Die Pest, der Krieg und der Lärm des Schießpulvers
5.1. Intonation der Aufklärung: Eine neue Zeit kündigt sich an
5.2. Explosion des Wissens - und ein alter Lärmbegriff
5.3. Wie die Reformation den Klang der Kirche änderte
5.4. Lärmende Ur-Katastrophe - der Dreißigjährige Krieg
5.5. Noise Exchange: Wie Kolumbus der Lärm folgte
5.6. Lärm von unten: Revolution der Unterdrückten
5.7. Dampfmaschine - Geburt des industriellen Lärms
5.8. Gequältes Gehör: Wie Goethe gegen eine Kegelbahn kämpfte
5.9. Akt der Verzweiflung: erste Gesetze gegen Lärm
5.10. Nachrichten auf Rädern: Warum Metzger ins Posthorn bliesen
6.1. Ein erstaunliches Jahrhundert
6.2. "Immerwährendes Sausen und Brausen" - der Aufstieg zur Maschinenwelt
6.3. Rollender Lärm: Öffentlicher Nahverkehr erobert die Welt
6.4. Wie Bertha Benz an einer Apotheke tankte und das Pferd arbeitslos machte
6.5. Eisenbahn - Siegeszug der zischenden Dampfrosse
6.6. Antiphon und Goodyear: Moderne Technik hilft - nicht wirklich
6.7. Als Charles Dickens über die Ärmsten der Armen schimpfte
6.8. Spannungsgeladen - als die Elektrizität den Lärm verstärkte
6.9. Der industrielle Klang des Krieges
6.10. Wie Heinrich Heine unter einem Ohrwurm litt
6.11. Das lauteste Geräusch der Weltgeschichte
6.12. Nervöses Zeitalter: Die Medizin entdeckt den Lärm
7.1. Die Menschheit ringt um Ruhe
7.2. Anti-Lärm-Vereine - Aufstand der Privilegierten
7.3. Megacities: Hilfe! Lärm! Meine Nerven!
7.4. Stahlgewitter - Armageddon der Kriege
7.5. Wie eine Suffragette Pionierin des Heavy Metal wurde
7.6. Lärm wird global: das Jahrhundert von Auto und Flugzeug
7.7. Nachkriegszeit: Lärm auf dem Zenit
8.1. War früher alles besser (leiser)?
8.2. Wie die Welt heute um Ruhe ringt
8.3. Stumm wie ein Fisch? Von wegen!
8.4. Wie gefährlich ist Lärm heute?
ILLUSTRATION
Carter's Little Nerve Pills - For the Nervous and Dyspeptic (Anzeige USA, ca. 1900)
"Mamma says: Stop that noise. It makes her nervous. Children will never stop making a noise, but those who use Carter's Little Nerve Pills need not be nervous."
BIOGRAPHIE
Kai-Ove Kessler, geboren 1962, ist Journalist, Historiker und Musiker. Er arbeitet seit mehr als 20 Jahren als Redakteur beim Norddeutschen Rundfunk und hat fast genauso lange zur Geschichte des Lärms recherchiert. Lärm begleitet ihn seit seiner frühesten Jugend: Er ist Schlagzeuger in einer Hardrock-Band. Kai-Ove Kessler hat zwei erwachsene Kinder und lebt in Hamburg.
TONDOKUMENTE
So klang die Welt
Sound of Universe: Als alles begann
760.000 Jahre nach dem Urknall durchzieht ein Laut das junge Weltall - der physikalische Nachhall der Geburt von Zeit und Raum. Der US-Physiker John G. Cramer (geb. 1934) machte es Anfang der 2000er Jahre hörbar, indem er das Signal von insgesamt 400.000 Jahren in einem Geräusch von 100 Sekunden Länge zusammenfasste.
Kirchenglocken: Der Klang Gottes
Die Gloriosa (lat. die Ruhmreiche) im Mittelturm des Erfurter Doms ist die größte freischwingende mittelalterliche Glocke der Welt. Der niederländische Glockengießer Gerhard van Wou goß sie in der Nacht zum 8. Juli 1497. Seit mehr als 500 Jahren klingt sie dröhnend über der Stadt und verkündet von dort aus die Allmacht Gottes.
Lange verschollen: Bismarcks Stimme
Faszinierend anzuhören ist ein Tondokument, das bis vor kurzem als verschollen galt: Am 7. Oktober 1889 sprach der deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck auf seinem Schloss Friedrichsruh in Aumühle in den Phonographen des Erfinders Thomas Alva Edison, u.a. "Gaudeamus Igitur" und Teile der französischen Marseillaise.
Ein Maler - zwei Klangwelten
Adolph von Menzel
Der Berliner Maler Adolph von Menzel (1815-1905) wurde zum Chronisten der Geschichte des Lärms. Zu seiner Lebenswirklichkeit gehörte noch das Erbe Friedrichs des Großen, das er in seinem Bild Flötenkonzert in Sanssouci (1850) verewigte. Gleichzeitig hörte er die neuen Klänge der Moderne. Den tosenden Lärm eines Eisenwalzwerks brachte er 1875 in seinem Werk Moderne Cyclopen auf die Leinwand.
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- Kai-Ove Kessler
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